Selbstbestimmt: Warum europäische digitale Dienste unsere Zukunft sichern

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Ohne digitale Infrastruktur geht in Zukunft nicht mehr. Blickt man auf die digitalen Dienste, die wir heute täglich nutzen, basiert fast alles auf Services außerhalb der EU. Angesichts zunehmender geopolitischer Unsicherheiten, sollten wir uns vor allem auf Angebote aus “echt” und dauerhaft befreundeten Ländern verlassen. Als Chef einer Digitalagentur finde ich es an der Zeit, Abhängigkeiten auf diesem Gebiet ehrlich zu hinterfragen und strategisch auf europäische digitale Dienste zu setzen. Dabei bin ich ein Fan von vielen kleinen Entscheidungen mit Haltung, statt auf schwerfällige und langsame Gesamtkonzepte zu warten. Ich wünsche mir digitale Souveränität, die wir uns Schritt für Schritt erarbeiten müssen.

Tech-Themen

Warum gefährden nicht-europäische Dienste unsere Souveränität?

Ohne eigene Systeme als reale Alternative laufen wir Gefahr, dass andere kontrollieren können, welche Dienste wir in Europa nutzen können, was wir sehen und was wir am Ende denken. Parallel teilen wir in den sozialen Netzwerken und Messengern unsere aktuelle Stimmung – und das verlässlicher als in jeder Umfrage. Jeder Marketer erahnt, wie gut man mit solchen Informationen arbeiten kann.

  • Wir sind nur digitale Mieter: Kritische Dienste wie Cloud-Speicher, E-Mail, Suchmaschinen und KI werden von wenigen Tech-Unternehmen dominiert. Mit 70 Prozent der Cloud-Leistungen aus Übersee macht diese Abhängigkeit das europäische digitale Gemeinwesen fragil.
  • Fehlende DSGVO-Bindung: Während europäische Dienste gesetzlich an die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gebunden sind, gelten diese Vorgaben für Unternehmen außerhalb der EU oft rechtlich nicht verpflichtend.
  • Mangelnde Datenkontrolle: Bei der Nutzung von Nicht-EU-Diensten wissen wir nie genau, welche Daten abfließen und wofür diese genutzt werden. In einigen Staaten gelten Gesetze, die den Einblick in diese Daten erzwingen können (z.B. der Cloud Act). Darin sehe ich kein Problem, solange alle Beteiligten Freunde sind und es ehrlich miteinander meinen. Nur erleben wir ja derzeit im Bereich der Rohstoffe und Zölle, wie schnell gefühlte stabile Verbindungen ins Wanken geraten können.
  • Politische Einflüsse: Die Nähe führender Tech-Unternehmen zu ihren Heimatregierungen nährt Zweifel an deren Vertrauenswürdigkeit als verlässliche und wohlgesonnene Partner. Sie haben relativ wenig Anreize, die Werte Europas zu respektieren.

Komfort, geschlossene Ökosysteme und der Preis der „Kostenlosigkeit“

Warum nutzen wir scheinbar sorglos so viele nicht-europäische digitale Dienste? Weil es bequem ist. Sie bieten ausgeklügelte Nutzeroberflächen und machen verlockende Angebote. Auch ich nehme mich nicht davon aus – man spart oft Zeit und Geld.

  • Komfort und Reichweite: Viele der Dienste sind jedem bekannt, nur einen Mausklick entfernt oder schon auf dem Handy vorinstalliert. Die meisten bieten einen extrem hohen Nutzungskomfort.
  • Geschlossene Ökosysteme: Einmal dabei, fällt ein Wechsel schwer. Geschlossene digitale Ökosysteme verleiten zum Bleiben, statt zu Alternativen zu wechseln. Das trägt zur Abhängigkeit bei.
  • Kostenlose Modelle: Die meistgenutzten Anbieter und Apps bieten ihre Dienste oft „kostenlos“ an. Wir bezahlen unbemerkt mit Daten und unserer Aufmerksamkeit.

Was aber passiert, wenn ein Anbieter uns plötzlich den Zugang verwehrt, ihn verteuert oder an Bedingungen knüpft? Dann sind wir erpressbar. Wir haben es beim Gas erlebt und jüngst bei Seltenen Erden: Ich plädiere daher für eine aufgeklärte Nutzung und dafür, dass wir Stück für Stück Alternativen aufbauen, die wir auch selbst nutzen – aus gutem Grund und europäischem Selbstbewusstsein heraus.

Wie fangen wir am besten an? Strategische Konzepte für europäische Alternativen

Die gute Nachricht: Wir starten nicht bei Null. Ein paar Beispiele:

Mit der EuroStack-Initiative gibt es einen umfassenden Vorschlag, der darauf abzielt, Europas digitale Unabhängigkeit zu stärken. Er identifiziert Abhängigkeiten auf sieben Ebenen (von Rohstoffen über Chips bis hin zu KI) und sieht Investitionen in Milliardenhöhe vor.

Initiativen wie NGI Commons oder die Open Knowledge Foundation fordern eine stärkere Berücksichtigung von Open Source, offenen Protokollen und Interoperabilität. Das Ziel: die Marktdominanz einzelner Plattformkonzerne zu reduzieren.

Technologisch starke europäische Dienste

Es gibt bereits technologisch starke, europäische Lösungen, die DSGVO-konform und oft Open Source sind:

  • Künstliche Intelligenz: Der Chatbot Mistral aus Frankreich kann mit anderen Modellen mithalten und ist fest in europäischer Hand. Die Deutsche Telekom plant eine eigene KI-Fabrik in München.
  • Übersetzung/Office: DeepL aus Deutschland bietet eine leistungsfähige Alternative zu anderen Übersetzern.
  • Suchmaschinen: Die französische Suchmaschine Qwant verzichtet vollständig auf Tracking und Werbung.
  • Messenger: Signal kommt zwar nicht aus Europa, ist aber ein OpenSource Client, der anderen großen Anbietern in nichts nachsteht.
  • Cloud/Speicher: TeamDrive aus Hamburg oder das HiDrive von Strato bieten datenschutzkonforme Clouds für Unternehmen. Kürzlich begann die Schwarz Gruppe mit der Errichtung eines riesigen Rechenzentrums im Spreewald und möchte damit einen weiteren Beweis für die Fähigkeit zur digitalen Souveränität der EU liefern.

Tipp: European Alternatives

Projekte wie European Alternatives sammeln und analysieren europäische Services. Als europäische Alternative gilt ein Dienst dort nur, wenn das Unternehmen und gegebenenfalls die Muttergesellschaft in der EU ansässig sind. Auch die Kerndienste müssen in der EU gehostet sein und betrieben werden.

Start mit kleinen Schritten: Handeln statt reden

Die digitale Souveränität ist keine abstrakte politische Forderung, sondern eine strategische Notwendigkeit für europäische Unternehmen. Wir bei Rings Kommunikation sind überzeugt: Der Wandel beginnt nicht mit einem milliardenschweren Plan, sondern mit vielen kleinen bewussten Entscheidungen.

Wie wir unseren Teil beitragen? Derzeit arbeiten wir an einer europäischen Alternative für einen Kurzlink-Dienst für Unternehmen (Linkshortener). Seit mehreren Jahren betreiben wir einen Linkverkürzer für einen Großkonzern und wissen daher: Daten für die Erfolgsmessung von Links kann man auch ohne persönliche Trackingprofile erheben. Unsere Mission ist es, Firmen ein einwilligungsfreies Marketing-Werkzeug an die Hand zu geben, das mit anonymen Daten arbeitet, datenschutzkonform und europäisch sicher ist.

Lassen Sie uns vom Mieter zum Gestalter werden: Unsere täglichen Entscheidungen – im Großen wie im Kleinen – bestimmen, wie schnell wir unsere digitale Zukunft selbst in die Hand nehmen. Partnerschaftlich mit vielen Ländern der Welt und gleichzeitig resilient für den Krisenfall.

Welchen nicht-europäischen Dienst ersetzen Sie durch eine europäische Alternative? Ich freue mich über Kommentare bei Linkedin. Lassen Sie uns gemeinsam digitale Souveränität leben.

Geschrieben mit Material von
https://www.ceps.eu/ceps-publications/eurostack-a-european-alternative-for-digital-sovereignty/
https://cdn.ceps.eu/wp-content/uploads/2025/02/EuroStack_2025.pdf
https://european-alternatives.eu/about
https://www.heise.de/download/specials/Unabhaengig-von-Big-Tech-Alternativen-zu-Google-Microsoft-Co-10015382
https://www1.wdr.de/nachrichten/ki-und-cloud-alternativen-aus-europa-trenden-100.html
https://www1.wdr.de/nachrichten/digitale-abhaengigkeit-alternativen-verbraucher-100.html
https://netzpolitik.org/2025/digitale-souveraenitaet-und-eurostack-wie-kann-europa-digital-unabhaengiger-werden/
https://www.metacheles.de/eu-tech-statt-silicon-valley-der-volkscomputer-fur-europa/
https://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastkommentar-wie-europa-nicht-zur-digitalkolonie-verkommt/100127260.html
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/china-seltene-erden-export-beschraenkungen-trump-100.html