„Ein Minister im Haifischbecken“

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Der Ort: bcc Berlin. Das Publikum: rund 1.500 Verantwortliche für Public Relations. Die Rede: Dr. Philipp Rösler zum Thema: „Vertrauen und Verantwortung: Haifischbecken Gesundheitspolitik“. Damit eröffnete der Bundesminister für Gesundheit das Programm des diesjährigen Kommunikationskongress am 23. September 2010. (Video: siehe unten)

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In seiner Rede im Kuppelsaal des bcc berichtete er über Chancen und Grenzen, vor allem aber die Notwendigkeit der Kommunikation – gerade in der Politik. Seinen Einstieg empfand ich als überraschend selbstironisch: Zu Beginn seines Vortrages sinnierte Rösler, ob er nun „als gutes oder misslungenes Beispiel für Kommunikation eingeladen“ wurde, aus dem man schließlich auch lernen könne. Eine wichtige Rolle spiele die Kommunikation beim Werben um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Das erfordere aber Authentizität, denn nur wenn Handlung und Kommunikation Hand in Hand gehen, kann Vertrauen entstehen.

Zwar scheint mir das keine wirklich neue Erkenntnis, deutliche Parallelen sehe ich aber. Politiker – wie PR Experten – stehen oft vor der Wahl: Unbequeme Wahrheiten direkt und unverblümt auszusprechen, diese zu verschweigen oder aber einen gesunden Mittelweg zu wählen. Für Aufheiterung im Plenum sorgte Rösler mit einem passenden Beispiel: Ein Arzt wird von einem übergewichtigen Patienten gefragt: „Herr Doktor: Bin ich zu dick?“ Was würden Sie antworten? Gerade wenn der Mann recht hat?

In seinen Ausführungen beschrieb der Minister vor den versammelten PR Verantwortlichen, dass sich Kommunikation manchmal auch verselbständige. Ein Phänomen, mit dem viele in der Öffentlichkeit stehende Personen – aber auch PR- und Presseabteilungen – zu tun haben, wie ich meine. Beispiel: Angenommen man plane als Politiker einen privaten Spaziergang über die Friedrichstraße… ohne Krawatte. Laut Rösler sei es dann gut möglich, dass ein Medium dazu titelt: „Minister plant, nackt über die Friedrichstraße zu laufen“. Diese Meldung führe natürlich zu Reaktionen in den Medien, der Gesellschaft, und aus der Politik: Zum Beispiel Entrüstung beim politischen Gegner, Erklärungsversuchen politischer Freunde, Unverständnis in der Bevölkerung.

Kommunikationskongress 2010: Dr. Philipp Rösler
Reagiere man darauf und stelle in einem Interview oder Statement klar, man habe nie die Absicht gehabt, nackt über die Friedrichstraße zu laufen, kämen selten Äußerungen wie „oh, da haben wir uns im Bericht offenbar getäuscht“. Die Reaktionen reichten vielmehr von „Minister rudert zurück“ bis „Aha, haben wir doch gleich gewusst… so jung und unverbraucht ist er ja gar nicht mehr… Der traut sich ja nicht einmal, nackt über die Friedrichstraße zu laufen“.

Bei aller Kurzweiligkeit seines Vortrages verdeutlichte Rösler in meinen Augen sehr anschaulich, dass Kommunikation auch Grenzen hat. Viele Dinge, wie manche politische Entscheidungen, könne man nicht über Kommunikation lösen, obwohl diese einen hohen Stellenwert habe. Manchmal müsse man aber unpopuläre Entscheidungen fällen und Gesetze auf den Weg bringen. „Man kann die Welt nicht allein durch Twitter verändern“. Das ist wohl wahr – mit Kanälen wie Twitter hat man meines Erachtens jedoch die Chance, Kommunikation auf verschiedenen Ebenen zu betreiben, Menschen mitzunehmen, mehr Transparenz zu schaffen.

Als persönliches Fazit nehme ich vor allem zwei Dinge aus Röslers Rede mit, denen ich auch in der Online PR immer wieder begegne:

  • Wirbt man um Vertrauen, und möchte man Mitarbeiter, Kunden oder Wähler für eine Sache begeistern, muss Kommunikation authentisch sein, auch wenn sie dann nicht immer bequem ist
  • Transparenz und Information aus erster Hand sind wichtige Faktoren für die Reputation und das Vertrauen: Das Friedrichstraßen-Beispiel würde sich etwas anders entwickeln, hätte man mit Twitter oder Facebook eigene Kanäle, die für Ankündigung und ggf. anschließende zeitnahe Reaktionen auf Kommunikationswellen genutzt werden können.
  • Fotos vom Kongress finden Sie auch in der Flickr Galerie zum Thema. Videos stehen bei YouTube.