Openness is key
Die Bewertung der Offenheit eines Systems lässt sich an drei Aspekten ablesen, erklärte Mitchell Baker, Executive Chairwoman der Mozilla Foundation:
- can I see it (is it available to all?)
- can I touch it (can everybody use it?)
- can I control it (can I control my personal data?)
Im Netz aber bestimmen derzeit immer weniger große Internet-Konzerne, was die Nutzer dürfen oder sehen können (ein Punkt, den auch Internet Skeptiker Jaron Lanier im letzten Digital Masterminds Gespräch immer wieder anmerkte). Facebook, Google oder auch Apple vermarkten laut Baker ihre ‚restriktiven Ökosysteme‚ und schaffen es, ihre Kunden darin zu halten. Das Internet verliere dabei zunehmend seine Offenheit und erfahre eine starke Zentralisierung. Das verhindere echte Innovation, da neue Ansätze kaum eine Chance bekommen, eine kritische Masse aufzubauen – so Baker in ihrer Keynote. Sie spielte damit zweifelsohne auf die Versuche von Mozilla an, im Bereich mobile Browser und Mobile Betriebssysteme stärker Fuß zu fassen. Der Wettbewerb sei immmens. Und Unternehmen wie Apple sind bestrebt Regeln für die Nutzer zu setzen, was ihnen leicht fällt, da sie mit diesen Regeln das Internet der Möglichkeiten eingrenzen und in ein Korsett bringen, das die Nutzer einfacher verstehen können. Die Regeln aber beschränken die Offenheit. Und nur wenn die Offenheit des Webs in ausreichendem Maß gesichert sei, können weiterhin echte Innovationen entstehen. Nur unter dieser Bedingung könne sich das Netz im Sinne der Nutzer weiterentwickeln.
Die Konkurrenz von Apple und Google hat es schwer: Mozilla kann zwar Erfolge mit Firefox OS in lateinamerikanischen Ländern verbuchen – auch dank der Partnerschaft mit Telefónica – speziell aber in Westeuropa hat das alternative Betriebssystem keine nennenswerte Marktdurchdringung. Obwohl der Fokus laut Baker stärker auf dem Datenschutz liege als bei anderen Anbietern. Das Datenschutz-Argument ist also nicht die treibende Kraft.
Aber auch Konzerne wie Microsoft tun sich schwer in diesem hart umkämpften Markt – trotz großer finanzieller Mittel und trotz einer Vielzahl an Apps kommt Windows Phone nicht so recht vom Fleck. Thorsten Dirks fasste es treffend zusammen: „Die Nutzer entscheiden nun mal selbst.“
Die Frage, die sich mir persönlich dabei stellt: Entscheiden die Nutzer das aber wirklich bewusst und frei? Oder kommen sie in den Ökosystemen von Google, Apple und Co. einfach nicht (so einfach) in Berührung mit Alternativen?
Privatsphäre, Datenschutz und die schizophrene Haltung der Nutzer
Überhaupt: Die Nutzer… „Einerseits sind sie zu faul, ihre Daten zu schützen“, versuchte Jochen Wegner die Diskussion über das Nutzerverhalten anzufachen. Es gibt Verschlüsselungsmethoden für E-Mail, aber kaum einer nutzt sie. Es gibt als sicher eingestufte Messenger, aber alle verwenden WhatsApp (naja, außer vielleicht bald die Engländer, falls sich Premier James Cameron mit seinem Vorhaben um ein WhatsApp-Verbot in England tatsächlich durchsetzt. Es hat schon etwas ironisches: Ihm ist WhatsApp anscheinend ‚zu sicher‘, daher denkt er laut über ein Verbot nach… seltsame Welt).
Aber gleichzeitig (also trotz der Faulheit, sichere Dienste zu verwenden) werden die Nutzer fast panisch, wenn sie der Meinung sind, ihre – offen kommunizierten – Daten werden verwendet. Egal für was. Anonymisiert oder nicht. Dabei bieten – gut anonymsierte – Daten einen großen Nutzen für alle. „Fast jeder hat auf dem Weg hierher mit der Staumessung des Navis anonymisierte Nutzerdaten zu seinem Vorteil genutzt“ erklärte Thorsten Dirks in einem anschaulichen Beispiel. Solche Art von Daten seien ein Schatz, den es gilt, für die Nutzer zu heben. Auch Baker stimmte der Bedeutung von gut anonymisierten Daten zu. Immer unter der Prämisse, dass sie keinen Rückschluss auf Einzelne ermöglichen und „ordentlich“ anonymisiert sind.
Beim Thema E-Mail Verschlüsselung warf Baker den Frontend- und Interface-Entwicklern den Ball zu: Sie sollen dafür sorgen, dass sichere (verschlüsselte) Dienste einfacher zu nutzen sind. Dafür sei derzeit noch zu viel KnowHow für die „bequemen“ Nutzer notwendig, was der starken Verbreitung im Wege steht. Auf die Frage aus dem Publikum, warum der E-Mail Client Thunderbird dann nicht aktiv weiterentwickelt wird, resümmiert sie fast schon etwas resigniert: „Its [Thunderbirds] ability of moving the internet to a better world is limited“ und die Ära der E-Mail Clients neige sich in Zeiten von Webmail dem Ende entgegen. Ich deute das mal so: Mozilla investiert seine Ressourcen lieber in Dienste, die noch eine Zukunft haben.
Netzneutralität: Sinnvoll, aber…
Fast schon erstaunlich: Bei der Frage nach der Netzneutralität schienen mir Baker und Dirks relativ auf einer Linie: Prinzipiell sind zwar alle Datenpakete im Netz eigentlich gleich wichtig und müssen gleich behandelt werden. Überall da, wo es etwa um Menschenleben geht, macht es aber durchaus Sinn zu priorisieren: etwa Daten von vernetzten Autos (zum Beispiel zur Stau- und Unfallprävention) oder im Bereich Health / Gesundheit. Baker fand diesen Ansatz „sehr interessant.“ Hier hätte ich mir mehr Kontroverse erwartet – aber gut: Wer möchte ernsthaft behaupten, dass ein Videostream für die Kinder auf dem Rücksitz bei einem Engpass im Netz die gleiche Priorität haben sollte wie die – künftig automatisiert erfolgende – Nachricht des vorausfahrenden Autos an das eigene Vehikel: ‚Ich mache gerade eine Vollbremsung.‘
Investitionen in die Infrastruktur
Thorsten Dirks brachte in die Diskussion ein ums andere Mal die Rolle der Netzbetreiber ein. Sie stehen weiterhin einem extrem schnell wachsenden Datenvolumen gegenüber, das durch Millionen neuer M2M Geräte aus vernetzten Wohnungen und Fahrzeugen weiter drastisch zunehmen wird. Damit die Netze dem Stand halten, sind weitere Millionen und Milliarden an Investitionen notwendig, die man auf Seiten der Netzbetreiber bereits investiere (wie jüngst in neue Frequenzen bei der Auktion 2015) und weiterhin bereit sei zu investieren. Es müsse natürlich ein Geschäftsmodell dahinter stehen (dürfen), sonst machen diese Investitionen wenig Sinn. Bei aller Offenheit der Netze.
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Fotos: Telefónica Deutschland