Social Media ersetzt SEO?

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Im Kern liegt Gardy Arndt sicher richtig, wenn er schreibt Why Social Media Is a Better Investment than SEO. Bezogen auf Blogger, die parallel in SEO investieren, ist einiges dran an dieser Aussage. Doch Vorsicht vor Generalisierung! Auch Arndt merkt gleich in der Einführung an:

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„This post will probably generate controversy.“

Und in der Tat – die Liste der Kommentare ist lang.

Wie viel Wahrheit steckt in seiner provokanten Überschrift? Oder hat Arndt gar vollkommen Recht? Um das herauszufinden, bedarf es der Beleuchtung seiner Argumentation. Im folgenden die wichtigsten Punkte aus Arndts Blogbeitrag:

1. Google bevorzugt Marken

In einem Experiment setzte Arndt nach eigener Aussage einen identischen Text auf eine kleine Website und optimierte diese nach allen Regeln der Suchmaschinenoptimierung (kurz SEO = Search Engine Optimization, SEO) inklusive Link-Building. Nach einiger Zeit veröffentlichte er den identischen Text auf einer bekannten/großen Firmenseite. Resultat: die große (nicht weiter optimierte) Seite rankte auf Anhieb höher als seine optimierte (kleine) Seite.

Wird deswegen SEO für kleine Seiten überflüssig? Keinesfalls! Denn ohne (Basis-) Optimierung listen Suchmaschinen wie Bing oder Google kleine Seiten schlimmstenfalls gar nicht vernünftig im Index und das sollte das Minimalziel jeder SEO sein. Im Netz gibt es zahlreiche Webauftritte, für deren Administratoren sogar „index,follow“ noch immer ein böhmisches Dorf zu sein scheint.

StockSnap Ishan@seefromthesky Straße Verkehr Autobahn
Foto: CC0 1.0, Stocksnap / Ishan @seefromthesky / Ausschnitt bearbeitet

2. Der Name macht’s

Klassische Medien leben von der Arbeit ihrer Journalisten. Sie erlang(t)en ihren Ruf letztlich durch ihre Schreiber. Google weist ihren Domains daher entsprechend ihrer Artikelvielfalt und ihres Namens entsprechendes Gewicht zu. Blogger dagegen erarbeiten sich ihren Ruf, Ihre Reputation aufgrund ihrer eigenen Werke:  „Blogger authority is first hand authority. It comes directly from the reputation they have developed over time from their audience.”

Suchmaschinen können mangels Intelligenz die Relevanz nur anhand abstrakter Werte ableiten. Menschen dagegen sind in der Lage, einem für sie relevanten Blogger auch dann zu folgen, wenn dieser das Medium wechselt. Kurz gesagt: Google kann gar nicht immer das relevante/richtige Ergebnis liefern.

In der Tat haben die Social Media den Vorteil, direkt mit realen Personen vernetzt zu sein. Ob ein Autor nun für Blog A oder Onlineredaktion B schreibt, ist in diesem Fall weniger von Bedeutung. Interessieren mich als Leser die Artikel eines bestimmten Autors, kann Google nicht immer mithalten, das ist auch nicht die primäre Aufgabe der Suchmaschine.

3. Auf die Persönlichkeit kommt es an

Viele Unternehmen und ihre Marken bewegen sich anonym in Sozialen Netzwerken. Bestenfalls werden die Personen genannt, die hinter einem Twitter oder Facebook-Account stecken, schlussendlich sind diese aber oft austauschbar. Anders bei Bloggern: man folgt ihnen (oder nicht), weil sie relevante Themen interessant aufbereiten (oder eben nicht). Insofern macht es für Blogger durchaus Sinn, bzgl. Auffindbarkeit stärker auf Social Media statt auf SEO zu setzen.

4. Suchmaschinenoptimierung ist also Zeitverschwendung?

Legt man für die Reichweite im Netz den ROI (Return on Investment – vereinfacht gesagt: das tatsächlich erreichte Ergebnis im Vergleich zum betriebenen Aufwand) zugrunde, so schneiden Social Media für Blogger aufgrund ihrer Effizienz und des Netzwerk-Effekts deutlich besser ab als klassische Suchmaschinenoptimierung. Damit Blogger (und kleine Websites) vergleichbar hohe Positionen in Suchmaschinen erreichen wie große Medien, Unternehmen oder Marken, ist unverhältnismäßig mehr Aufwand notwendig. Das kann ich bis hierher bestätigen. Und obwohl Marken an sich besser ranken, stecken sie dennoch (teils berechtigterweise) Unsummen in Suchmaschinenoptimierung (und v.a. Suchmaschinenmarketing), da sie wiederum im Vergleich mit ihren Wettbewerbern und deren Marken in der Trefferliste weiter oben stehen müssen/möchten.

Für Blogger und kleine Websites ist eine Top-Platzierung unter den ersten drei Google-Treffern vor allem bei umkämpften und attraktiven Keywords nur sehr schwer zu erreichen oder dauerhaft(!) zu halten. Blogger und kleine Sites erreichen mit Social Media schneller (und günstiger!) eine größere Reichweite als dies mit SEO machbar wäre. Und sie schaffen sich im besten Fall eine Community an interessierten Lesern.

Sie überzeugen ihre Leser durch Meinung & Online-Dialoge. Und gewinnen neue Leser auch durch die anschließende Diskussion und über Netzwerkempfehlungen ihrer Leser. Anonyme Unternehmensauftritte haben es hier aus strukturellen Gründen deutlich schwerer. Dem ist aus meiner Sicht wenig hinzuzufügen.

5.  Schreiben für Leser, nicht für Suchmaschinenroboter

Wer liest schon gerne rein für Suchmaschinen-Bots optimierte Texte? Niemand! Zweifellos beeinflusst man damit die Platzierung bei Google, Bing & Co. Aber interessante Texte sind etwas anderes. Für Blogger führt SEO oft auch dazu, „readers in subscribers“ umzuwandeln. Das kann nicht das Ziel sein. Manche SEO Optimierer vergessen den Menschen vor dem PC. Die Leser einer Website möchten witzige Texte, interessante Artikel, mitreißende Reportagen – all das lässt sich mit gnadenloser SEO-Optimierung meist nicht vereinbaren. Auch hier gebe ich Arndt recht. Für Blogger kann „brutale“ SEO-Ausrichtung den digitalen Tod bedeuten.

6. Langfristige Erfolge für den Großteil der Blogger sind nicht allein die Klickzahlen

Solange die Werbeindustrie (mangels sinnvoll vermarktbarer Alternativen) weiter rein auf Größen wie page views, visits oder clickrates als Grundlage für Abrechnungsmodelle setzt, liegt es für kommerziell orientierte Blogger nahe, den Fokus auf Traffic-Steigerung zu legen anstatt nachhaltig neue, wirklich interessierte Leser zu gewinnen. Mit dem bisherigen Finanzierungsmodell haben laut Arndt nur große Blogs mit hunderttausenden Zugriffen eine Chance, oder aber Nischenblogs, die ein ganz speziell eingegrenztes Thema behandeln. Nicht allein wegen sinkender Klick-/ oder View-Vergütungen stellen daher laut Arndt immer mehr Blogger fest, dass Klickzahlen allein nicht ‚reich‘ machen. Viele  betreiben – wie ich – ein kleines Blog, das sich nicht auf ein spezielles Nischenthema beschränkt. Sie liegen zwischen den von Arndt zitierten Extremen. Klicks um jeden Preis zu erhöhen ist für sie der falsche (weil zu kurzfristig gedachte) Weg.

Wie interpretiert man dieses Argument von Arndt nun?

Versuchen wir es so: Das Kapital für Blogger liegt in ihrer wachsenden Community an loyalen Lesern. Sie haben das Potenzial, zu einer Autorität für bestimmte Themen zu werden; ihre Meinung bekommt im Idealfall durch ihre Artikel mehr Gewicht. Diesen Umstand zu monetarisieren, funktioniert (zumindest anfangs) nicht unbedingt über das Blog direkt. Eher (und das ist meine Interpretation) über die mittelbaren Auswirkungen ihrer „Online-Prominenz“. Zum Beispiel indem sie ihr Wissen als Fach-Referenten anderen vermitteln – im realen Leben.

7. SEO ist in vielen Fällen auch unberechenbar – wie abhängig sind Sie von Google?

Sprünge einer Seite im Suchergebnis liegen nicht immer an mangelnder Kompetenz von SEOlogen, vielmehr an den Suchmaschinenbetreibern. Ihre Einstellungen zur Bewertung einer Seite entscheiden über die Platzierung im Suchergebnis. Und diese Einstellungen wechseln beinahe täglich. Denn Google, Bing und wie sie alle heißen, haben nur ein Ziel: ihren Nutzern relevante Inhalte auf den ersten Plätzen zu präsentieren. Das bedeutet für Webseitenbetreiber, die sehr viel Traffic über Suchmaschinen generieren und sehr viel in SEO investieren: sie müssen permanent viel investieren, um ihre Seite den ständig wechselnden Regeln anzupassen.

Das allein kann es aber nicht sein: Meinen Kunden empfehle ich daher immer: gehen Sie mit Augenmaß an die SEO-Aufgabe und setzen sie realistische Erwartungen: Ein gewisser Aufwand für SEO ist sinnvoll, um die Grundlagen für Auffindbarkeit zu schaffen und den Auftritt zu ptimieren. Danach entscheidet der Kunde: geht es ihm um „Traffic um jeden Preis“, für den er bei SEO-Spezialisten permanent viel bezahlen möchte? Oder geht es um die nachhaltige Steigerung des organischen Traffics?

8. Social Media bieten einen größeren ROI

Arndts Ergebnis: es geht nicht darum, SEO komplett außen vor zu lassen, Google zu blocken und auf Suchmaschinen-Traffic zu verzichten. Arndt empfiehlt: Sorgen Sie dafür, dass ihre Seite die Basis-Anforderungen erfüllt. Danach hören sie auf, sich über das Thema ständig Gedanken zu machen.

Ergänzen möchte ich: Das richtige Maß ist der entscheidende Faktor. Es kann sinnvoll sein, viel in Suchmaschinenoptimierung zu investieren – je nachdem, welche Ziele Sie verfolgen! Eine Abhängigkeit von der Suchmaschinenoptimierung sollte aber in ihrem eigenen Interesse nicht entstehen. Ziel für jeden Internetseitenbetreiber muss es in meinen Augen sein, den organischen Traffic zu steigern. Und nachhaltig neue Leser zu gewinnen.

Das funktioniert nicht allein über SEO, sondern in erster Linie über ansprechende Inhalte.

Wie denken Sie darüber? Schreiben Sie mir!