Das Potenzial der Windenergie auf See in Deutschland beträgt laut einer Studie der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE mindestens 60 Gigawatt. Damit könnte der Strom von rund 60 Kohlekraftwerken produziert werden mit dem Unterschied, dass keine Rohstoffkosten anfallen und die CO2 Bilanz entsprechend positiv aussieht.
Für die Offshore-Produktion auf See sprechen – zunächst einmal unabhängig von Umweltauswirkungen – ein höherer Wirkungsgrad der Anlagen und die höhere Auslastung als bei Windkraftanlagen an Land. Abstandsregelungen, die den Bau erschweren könnten, fallen ebenfalls weit weniger ins Gewicht.
Was es allerdings braucht, um das Potenzial zu heben, sind klare Ausbauziele. Wieviel Windenergie will Deutschland auf See produzieren? Die Antwort bestimmt mit, in welchem Maß ausgebaut wird und welche Infrastrukturmaßnahmen (Leitungen, Speicherkapazitäten) begleitend geplant und gebaut werden müssen. Die aktuelle Planung der Bundesregierung sieht 40 Gigawatt bis 2040 vor. Angesichts stark steigender Energiebedarfe wird die neue Regierung diese Ziele sicherlich überprüfen.
Niedersachsen als Tor zur Klimaneutralität Deutschlands
Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Olaf Lies bezeichnete sein Bundesland auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studie am 22. September 2021 als Tor zur Klimaneutralität Deutschlands: Vor der Küste könne Windstrom und grüner Wasserstoff produziert werden, über Pipelines und Leitungen gelangen Strom und Wasserstoff an Niedersachsens Küsten und die künftig mit Sicherheit notwendig werdenden Wasserstoffimporte per Schiff werden ebenfalls anteilig über Häfen in Niedersachsen erfolgen. Der salzhaltige Boden an Niedersachsens Küsten sei zudem hervorragend geeignet, den grünen Wasserstoff in unterirdischen Kavernen zu speichern. Die müssten nur gebaut werden. Ein wichtiger Schlüssel für die Akzeptanz dieser Möglichkeiten in der Bevölkerung liege im Mehrwert für die Küstenregion: Im Sinne von Wertschöpfung, Beteiligung und Beschäftigung.
Wissen, Technik, Geld: Die Voraussetzungen scheinen günstig
Das klingt alles nach einem realistischen Plan. Die technischen Möglichkeiten sind da, Investitionen in grüne Technologien gewinnen bei Anlegern weiter an Bedeutung, so dass das nötige Geld kein Showstopper sein dürfte. Und der politische Wille steht gerade durch die anstehende Bundestagswahl auf dem Prüfstand. Den nächsten Schritt sieht Olaf Lies ganz klar: Nach den Wahlen in Berlin müssen Entscheidungen fallen. Konkret fordert er zusammen mit den Beteiligten an der Studie, dass nicht mehr mit 40 GW bis 2040 geplant werden solle sondern mit einer neuen Zielmarke von 60 GW Offshore Energie. Nur mit so einem Ziel werde diese Menge auch auf der Nordsee zur Verfügung gestellt werden können. Dafür seien laut Dennis Kruse, Geschäftsführer Deutsche WindGuard, je nach Anlagengröße zwischen 3.000 und 10.000 zusätzliche Windkraftanlagen auf See erforderlich – je größer, desto weniger. Eine immense, aber realistische Zahl, die sich nur nicht in zwei Jahren bauen lässt. Zur Einordnung: Derzeit sind in Deutschland rund 1.500 Offshore-Windkraftanlagen in Betrieb.
Die Anbindung der Anlagen für den Energietransport ist dabei übrigens auf drei Arten möglich: 1. per Kabel, wobei es hier physikalische Grenzen gebe und mit Blick auf das Naturschutzgebiet Wattenmeer auch die Erwärmung des Sediments durch verlegte Kabel im Blick behalten werden müsse. 2. per Wasserstoff-Pipeline: Dabei wird der grüne Wasserstoff aus Windenergie direkt auf See produziert und dann über Pipelines zu unterirdischen Speichern an der Küste transportiert. Und 3. ist der Transport auch per Schiff möglich, im Vergleich zur Pipeline sei das nur unrentabel oder bestenfalls eine Backup-Lösung.
Der parallele Ausbau der Gas- und Stromnetze ist laut Lies in diesem Szenario von immenser Bedeutung. Denn bisher verteilen sich die Kohlekraftwerke ja über das ganze Land. Wird der Ausbau in diesem Maße realisiert, entsteht die gleiche Energiemenge dann in der Nordsee. Und die Einspeisung und Verteilung klappt dann eben nur mit entsprechend gut ausgebauten Netzen.
Studie „Erzeugung von Wasserstoff durch Windenergie auf See“
Die am Mittwoch vorgestellte Studie ist auf der Internet-Seite der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE abrufbar. Auftraggeber ist die Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE, gefördert mit Mitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz. Die Stiftung versteht sich als Kommunikationsplattform für Akteure aus Politik, Wirtschaft und Forschung, dient dem Wissensaustausch und versteht sich als Ideengeber. Gleichzeitig bündelt sie die verschiedenen Interessen und vertritt sie gegenüber Politik, Öffentlichkeit, Wirtschaft und Wissenschaft.
Download: Studie „Erzeugung von Wasserstoff durch Windenergie auf See“
Die am Mittwoch vorgestellte Studie ist auf der Internet-Seite der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE abrufbar.
Die Stiftung arbeitet an oder ist sogar die Schnittstelle zwischen Offshore-Windanlagenbetreiber, maritimen Logistikdienstleistern und Ministerien auf Bundes- und Landesebene. Karina Würtz, Geschäftsführerin der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE, zieht mit Blick auf die Ergebnisse ein klares Fazit: Sie „zeigen erstmalig eindrucksvoll das enorme Potential der Offshore-Windenergie in Kombination mit der Produktion von Grünem Wasserstoff für Deutschland. Wir werden monatlich mit den Auswirkungen der sich verschärfenden Klimakrise konfrontiert. Aus diesem Grund sehen wir als Stiftung die alternativlose Dringlichkeit eines Primats aller Klimaschutzmaßnahmen. In der aktuellen Raumordnung sind – bei konsequenter Ausnutzung aller im aktuellen Raumordnungsplan enthaltenen Potentiale inklusive des befristeten Vorranggebietes Schifffahrt – über 60 GW Windenergie auf See rechnerisch möglich. […] Wir brauchen schnellstmöglich einen Ausbaupfad in diese Richtung. Darüber hinaus könnte ein Teil der erzeugten Energie zur Produktion von Grünem Wasserstoff eingesetzt werden und so einen substantiellen Beitrag zur Erreichung der deutschen Ziele in der Nationalen Wasserstoffstrategie bis 2040 leisten. Dafür braucht es eine verbindliche Zielsetzung und ausreichende Ausweisung von Meeresflächen für die Offshore-Wasserstoffproduktion durch die kommende Bundesregierung – zusätzlich zu den Flächen zur reinen Stromerzeugung. […] Neu genehmigte Offshore Windparks brauchen aktuell 6 Jahre bis zur Umsetzung – hier droht uns die Zeit davonzulaufen. Es braucht jetzt ambitionierte Vorgaben und eine Gleichzeitigkeit von Umsetzungsmaßnahmen. Mit der Studie wollen wir einen entsprechenden Anstoß geben.“